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Wolfgang
Haak
Zeitumstellung
Roman
Hrsg. und gestaltet und
mit einem Holzschnitt
versehen von Jens-F. Dwars
196 Seiten, Engl. Broschur, weinrotes Vor- und Nachsatzpapier
ISBN 978-3-943768-24-4
EUR 12,90 EUR
Zu bestellen beim Herausgeber.
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In der Nacht zwischen
Sommer und Winterzeit, in der die Uhren für eine Stunde
stille stehn, zieht es Tobler, den unheldischen Helden des
vorliegenden Romans, in die halb verfallene Ruine eines Mietshauses.
Die leeren Räume füllen sich mit seinen Erinnerungen
an eine vergangene Zeit in einem vergangenen Land. Augenblicke
der Furcht und des Mutes, der Hoffnung und Verzweiflung verdichten
sich in Alltagsgeschichten zu einem Panorama der DDR in ihrer
Endzeit.
Alles ist in Zwielicht getaucht, unentschieden zwischen Aufbruch
und Untergang rücken die Bilder der Vergangenheit berührend
und manchmal auch bedrückend nahe, plastisch und surreal
wie im Traum. „Damit wir uns nicht verirren in dieser
Dunkelheit“ – dem Dunkel, aus dem wir kommen und
dem wir zugleich unsere Lebenskräfte verdanken.
Wolfgang Haak wurde 1954 in Genthin
geboren, Studium in Jena (Mathematik, Physik, Erziehungswissenschaften),
Lehrer an verschiedenen Schulen, Mitarbeiter am Museum für
Ur- und Frühgeschichte in Weimar, seit 1981 Lehrer am
Weimarer Musikgymnasium Schloss Belvedere, seit 1991 dort
Schulleiter, Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, schreibt
Erzählungen und Romane.
Bereits 2008 ist in der
„Edition Ornament“ des quartus-Verlages der Band
Bagatellen. Opus Nro. 3 mit Prosaminiaturen von Wolfgang
Haak erschienen, illustriert mit Zeichnungen von Gerd Mackensen.
Einer Vorzugsausgabe dieses Bandes liegt eine Radierung von
Mackensen bei. Wenige Exemplare sind noch lieferbar.
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Leseprobe
Nachts, wenn die Zeit plötzlich
innehält, werden die Häuserfronten der Stadt zum
grauen Gebirge, die Tore und Türen in den Straßenfluchten
zu aufgerissenen Mäulern. Die Blattmasken im Sims flüstern
und aus den Fensterhöhlen starrt die Dunkelheit. Balkone
ohne Geländer schweben über dem Abgrund, Steinschlag
prasselt von den Mauerkanten herab. Und überall arbeiten
die verborgenen Ströme des Regenwassers. Nässe im
Gemäuer, Pilzsporen tastend im Untergrund, Chiffren in
den Putz der Mauern gekerbt, Botschaften, die sich selbst
verkünden. Betreten verboten! Hier steht das Haus. Ein
gründerzeitlicher Steinhaufen, der sich schwerfällig
und schmucklos über dem Boden erhebt, erdrückt von
einem wuchtigen Walmdach. Dahinter erstarren die Silhouetten
weiterer Gebäude, in deren Höfe sich auch tagsüber
kaum ein Lichtstrahl verirrt. Das Gebirge der Häuser
ringsum ist nur durch eine schmale Straße von der gegenüberstehenden
Friedhofsmauer getrennt, hinter der Buchen, Kastanien und
Linden ihre entlaubten Äste gegen den Nachthimmel recken.
Die Kuppeln und Kreuze einer Kirche heben sich wie tief schwarze
Scherenschnitte vom Matt des Dunkels ab.
Die Presse urteilt:
Zeitumstellung – jeweils für sich betrachtet, geht
dabei eine Stunde verloren oder aber sie wird scheinbar aus
dem Nichts gewonnen, die Differenz wird immer erst im kommenden,
›großen‹ Jahreszeitenwechsel ausgeglichen.
Um diese Stunde geht es Wolfgang Haak in seinem neuen Buch,
das eben unter dem Titel »Zeitumstellung« einen
geradezu surrealen Raum öffnet: zur Erinnerung und Besinnung,
zum Gleiten zwischen den Epochen.
Nach »Der Sohn des Windmüllers« (2005) sein
zweiter Roman und der Nachfolger der 2008 erschienenen, wunderbaren
Miniaturen-Sammlung »Bagatellen. Opus Nro. III«
geht Haak in seinem neuen Werk den Verwerfungen im Wechsel
von der DDR zur anstehenden Epoche nach – aus dem Dunkel
des Zwischenraums, in dem sich die Stadt, ja, das leerstehende
Haus, um das es geht, wie ein Gebirge auftürmt und in
dem sich die Leere mit Erinnerungen belädt, die Tobler,
den Protagonisten, bedrängen und verfolgen, bis zum nächsten
Wechsel der Räumlichkeiten, des Blicks. Sein alter Observist
Zörgel begegnet ihm da, ein zwielichtiges Duo Aushorcher
und -gucker, aber auch Monika, die üppige Fischverkäuferin,
deren Wärme und Zuneigung man stets versichert sein kann
und die es Tobler nicht übel vermerkt, wenn er schon
am nächsten Tag mit einer anderen Frau bei ihr vorbeikommt.
Mit einfühlsamer Geradlinigkeit zeichnet Haak dabei das
Leben der »einfachen Leute«, die ihren Weg durch
das verblichene Durchgangsreich, in das die gewonnene (oder
verlorene, je nachdem) Stunde leuchtet, zu finden versuchen,
die Milchfrau, den Kohlenhändler, die strenge, aber um
Gerechtigkeit bemühte Vermieterin; schildert auf der
anderen Seite die Anfechtungen durch den Geruch der Macht.
Ein Odem, der etwa die Wahrnehmung Zörgels trübt,
der immer noch der Meinung ist, sich für seinen alten
Apparat bereithalten zu müssen. Umringt von derlei Gestalten
und nicht zuletzt Duckmäusern, deren Ansehen teils selbst
in Gefahr gerät, zeigt sich das Aufbegehren als Wagnis
in der Versprengung …
In 72 Kapiteln ersteigt Wolfgang Haak in seinem Roman ein
Gebirge, das aus der Ambivalenz der Epochenbrüche und
ihren Folgen, dem Festhängen zwischen Blüte und
Verfall, Sehnsucht und Gesichtsverlust getürmt ist. Die
Floskel »Damit wir uns nicht verirren in dieser Dunkelheit«
zieht sich dabei wie ein Leitmotiv durch die Sequenzen des
Bands – jene Dunkelheit, die das Ominöse wie das
Versprechen enthält, und die am besten im Innehalten,
das die Zeitumstellung darstellt, zu erkunden ist. Ein faszinierendes
Buch.
André Schinkel, in: Mitteldeutsche Zeitung
(MZ)
Dieser schön ausgestattete Band ist wirklich bemerkenswert.
... Die traumhaften Momentaufnahmen in einem dichten Episodengeflecht
machen den Reiz des Erzählens aus. ... Hier liegen der
ästhetische Wert und die Ehrlichkeit des Buches - und
seine Intensität, die den Leser ganz gefangen nimmt.
Martin Straub, in: Thüringische Landeszeitung
(TLZ)
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