|
Nietzsches erste Autobiographie,
geschrieben mit 14 Jahren. Eine erste Bilanz vor dem
Wechsel an die Eliteschule in Pforta. Vieles klingt
noch unbeholfen-altklug, und dennoch ist schon zu spüren,
was aus diesem Kind einmal werden wird.
Aus dem Nachwort:
Das Königskind zu
Röcken – Oder: Der Traum von der Souveränität
So wird er seinen Weg bis
zum Ende gehen: Als ein Königskind, dem alles zu
gelingen scheint, das mit 24 Jahren ohne Doktortitel
zum Professor in Basel aufsteigt, von Wagner zum Haus-
und Hofphilosophen ernannt und gerade deshalb von den
Kollegen seiner Zunft verachtet. Bis der Gelehrte sich
selbst entthront, von rasendem Kopfschmerz gepeinigt
sein Lehramt aufgibt und auf unsteter Wanderschaft zwischen
Naumburg, Italien und der Schweiz ein Netzwerk von Ideen
knüpft, über dem der Freigeist die gewagtesten
Salti mortale vollführt.
Doch was tun, wenn keiner seine Kunststücke zu
schätzen weiß? „Gott ist tot!“
Ruft er denen zu, die ihn nie geglaubt haben, die sich
Sonntags in der Kirche den Segen holen wie am Wochentag
die Zinsen auf der Bank. Der All-Erhalter als das Kapital,
das den Jahrmarkt der Eitelkeiten in Gang hält.
Und von Zeit zu Zeit der Aktiensturz, weil die Moral
nicht mehr gedeckt ist. Der Mahner wird zum Narr, den
man verlacht, wenn man den Überbringer der Botschaft
nicht für ihren Urheber hält: ihn für
den Nihilismus verantwortlich macht, den er anzeigt,
für die Umwertung aller Werte.
Immer einsamer sieht sich Nietzsche in immer größere
Höhen steigen, aufschreiend, weil ihn niemand mehr
versteht. Immer lauter, immer schriller, immer fratzenhafter,
bis der Souverän sich in sein Gegenteil verkehrt,
in einen maßlos geifernden Hetzer, der die eigene
Herkunft verteufelt: „Ich heiße das Christentum
den einen großen Fluch, die eine große innerliche
Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache,
dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein
genug ist, – ich heiße es den einen unsterblichen
Schandfleck der Menschheit.“
In Röcken endet sein Weg, dort, wo er begann. Neben
seinem Vater liegt er an der Kirchmauer begraben, heimgeholt
nach Naumburg, als Herzensfritz in den Mutterschoß,
als verrückter Professor ins Irrenhaus von Jena,
der den hilflosen Ärzten die Wahrheit seines Lebens
zuraunt: „Ich suchte meine schwerste Last, da
fand ich mich.“
Daß er auch diese Last noch ertrug, mit vornehmer
Haltung, wie ein König unter den Narren, die wir
alle sind, das macht den Schauer aus, den empfindet,
wer diesem Leben und Werk nachspürt, diesem Traum
von der Souveränität.
|