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Ingeborg
Stein
Heinrich Schütz im Wendelicht
Erlebnisbericht
Mit mit Kompositionen
zum 116. Psalm von
Heinrich Schütz und Caspar Trost auf CD
sowie Radierungen von Steffen Dietzsch
104 Seiten, Engl. Broschur, weinrotes
Vor- und Nachsatzpapier
ISBN 978-3-943768-52-7
EUR 14,90 EUR
Zu bestellen beim quartus-Verlag.
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Es glich einer
Sensation, als 1983 auch in der DDR der 500. Geburtstag Luthers
mit Staatsfeiern begangen wurde. Der Reformator galt nicht
länger als Fürstenknecht und Verräter der aufständischen
Bauern, nun gedachte man seiner als Lichtgestalt der „frühbürgerlichen
Revolution“ und Spracherneuerer der Deutschen. Zwei
Jahre später folgte der 400. Geburtstag des Tonsetzers
Heinrich Schütz. Auch dessen Lebens- und Wirkungsstätten
befanden sich in der DDR: in Bad Köstritz, Dresden und
Weißenfels. Und auch er sollte nicht mehr „nur
ein Kirchenkomponist“ sein. Der „Vater der deutschen
Musik“ war zu entdecken.
Ingeborg Stein, die Gründungsdirektorin der Forschungs-
und Gedenkstätte im Bad Köstritzer Heinrich Schütz-Haus
berichtet von den Schwierigkeiten und Widerständen, mit
denen die Ehrung eines Musikers von Weltrang vor, in und nach
der „Wende“ in Mitteldeutschland zu ringen hatte.
Die Autorin wurde 1934 in Meißen
geboren, studierte in Berlin, Jena und Leipzig Musikwissenschaft
und Germanistik, war 1959 bis 1964 Dramaturgin in Greifswald,
Quedlinburg und am DNT Weimar, anschließend freiberufliche
Journalistin und Mitarbeiterin von Répertoire international
des sources musicales. Nach musiktherapeutischer Ausbildung
Arbeit an Jenaer Kliniken. 1978 bis 1985 Assistentin an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena, 1982 Promotion,
1985 Gründungsdirektorin der Forschungs- und Gedenkstätte
im Geburtshaus von Heinrich Schütz in Bad Köstritz,
die sie bis zu ihrer Emeritierung (1999) leitete.
Neben musikwissenschaftlichen Studien hat sie Lyrik und Prosa
verfasst, zuletzt: "Der grosse Atem. Sieben Berichte
von den Vorhöfen des Paradieses". Bucha bei Jena
2014
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Die Kritik urteilt:
Am Anfang war gar nichts. Immerhin doch das Geburtshaus, mag
mancher einwenden. Wie es ihr als Projektleiterin, so würde
man heute sagen, gelang, aus einer Bauruine mit Wassereinfall
im Keller bis zum 18. Oktober 1985 die Forschungs- und Gedenkstätte
Heinrich-Schütz-Haus entstehen zu lassen, davon erzählt
Ingeborg Stein mit subtiler Verve in 16 Kapiteln auf gut 100
Seiten. Allein ihren Anstrengungen zu folgen, die notwendigen
Handwerker und Genehmigungen für die Generalsanierung
und die parallele Einrichtung der Ausstellung zu bekommen,
bereitet – so paradox das erscheinen mag – höchstes
literarisches Vergnügen.
Die Autorin ergeht sich dabei keinesfalls in anklagendem Ton
über die Bürokratie der DDR. Vielmehr zeigt sie
mit genauem Blick und einem verblüffenden Erinnerungsvermögen,
dass die DDR nicht nur ein Staat der Verbote und Dekrete war,
sondern anhand ihres Beispiels, wie er im Detail funktioniert
hat und was sich – allen Vorbehalten und inneren Zweifeln
zum Trotz – mitunter bewerkstelligen ließ.
Ihr Erzählen wird durch ironische Brechungen bereichert;
jedoch zeigt sich – eigentlich durch das ganze Buch
– dass jede Fantasie durch die Wirklichkeit hier weit
in den Schatten gestellt wird.
Den atmosphärischen Höhepunkt erreicht der Bericht,
als Ingeborg Stein den eine Woche vor der Eröffnung angereisten
SED-Chefideologen Kurt Hager durch das vollkommen leere Haus
führen muss, da noch keines der Exponate an seinem Platz
steht. Diese aus damaliger und heutiger Sicht in höchstem
Maß surreal anmutende imaginierte Führung, die
nicht zuletzt eine Parabel auf die Mangelwirtschaft der DDR
ist, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgemalt werden.
Der Radierzyklus „Die zwölf Apostel“ von
Eberhard Dietsch bereichert den kleinen, aber feinen Band.
l Ingeborg Stein: Heinrich Schütz im Wendelicht. Weiße
Reihe, herausgegeben von Jens-Fietje Dwars, quartus-Verlag,
Bucha bei Jena, 103 S., 14.90 Euro
Jens Kirsten / 30.04.16 / TLZ
Eindrucksvoll gelingt es der Autorin zu erzählen,
wie innerhalb kürzester Zeit aus dem Nichts im Schütz-Haus
eine imposante Ausstellung entsteht, in der die Musik von
Heinrich Schütz die Hauptrolle spielt. (...) Gespenstisch
und absurd zugleich wirkt eine Fahrt nach Leipzig, die die
Autorin im Januar 1989 mit Howard Arman, dem späteren
Dirigenten des MDR-Chores, unternommen hat. Arman, aus England
kommend und damals in Österreich tätig, war Teilnehmer
an einem Workshop in Köstritz und wünschte sich
nichts sehnlicher, als die Wirkungsstätten Johann Sebastian
Bachs in Leipzig zu besuchen. Die Genehmigung dazu zu erlangen,
gelang Ingeborg Stein nur durch den Einsatz all ihrer Überredungskünste.
Als beide von Leipzig zurückfahren wollten, war die Windschutzscheibe
von zwei Backsteinen zerschlagen und völlig zersplittert.
Lediglich zwei „handspannengroße Löcher“
gaben die Sicht frei, und Howard Arman fuhr langsam und vorsichtig
nach Köstritz zurück, musste sogar einmal scharf
bremsen, weil ein unbeleuchteter Militärkonvoi vor ihm
fuhr. Die Probe am nächsten Morgen eröffnete er
mit einem Dankgesang.
(...) Der Erlebnisbericht Ingeborg Steins über ihre Jahre
als Direktorin des Heinrich-Schütz-Hauses liest sich
spannend, der Text bekommt durch die Radierungen von Eberhard
Dietzsch und die Musik auf der beigefügten CD zwei weitere
Dimensionen, die den Leser als Betrachter und Hörer herausfordern.
Dietmar Ebert, in: Palmbaum,
Heft 1/2016
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