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Edition Ornament

Wilhelm Bartsch. Die alte Marke Wanderer. Gedichte

 

Vorzugsgrafik von Moritz Götze

Wilhelm Bartsch
Die alte Marke Wanderer. Gedichte

Hrsg., gestaltet und mit einem Nachwort
versehen von Jens-Fietje Dwars
Mit fünf montierten Zeichnungen von Moritz Götze
104 Seiten, Engl. Broschur mit handmont. Etikett
in Prägung, goldgelbes Vor- und Nachsatzpapier,
roter Lesefaden,
500 num. Expl.

50 Vorzugsexemplaren liegt je ein signierter
Siebdruck "Im Café" von Moritz Götze bei,
gedruckt von Hartmut Tauer in sechs Farben
auf Bristol Karton 369 g/qm.

Nur noch 2 Exemplare der VA lieferbar!


ISBN 978-3-936455-98-4

Vorzugsausgabe Nr. 1-50: EUR 59,90 EUR
Normalausgabe Nr. 51-500: EUR 14,90 EUR

Zu bestellen beim Herausgeber.

Die fünf Zeichnungen von Moritz Götze wurden per Hand in das Buch montiert.

Siehe auch den neuen Gedichtband von Wilhelm Bartsch
mit Zeichnungen von Gerd Mackensen:
"Gotische Knoten"

 

 

Aus dem Nachwort

Ich wette: in einem seiner Leben war er ein Altberliner Droschkenkutscher. Und davor irgendwann ein Landsknecht, der den Tod verlachend ins Gemetzel zog, und in noch früherer Zeit ein Zen-Priester in Fernost. Von alledem sprechen die Gestalt und die Gestalten des Wilhelm Bartsch, dessen jüngste Wiedergeburt sich 1950 in Eberswalde ereignet hat. Rinderzüchter wurde er nun, Philosophiestudent in Leipzig, Korrektor und Rotationsarbeiter in Chemnitz, als es Karl-Marx-Stadt hieß, Dramaturg und Heimerzieher, Postfacharbeiter und Nachtwächter in Halle an der Saale, wo er seit 1976 lebt und seinem Brandenburgischen Dialekt treu bleibt.
(...) Übungen im Joch nannte er im seinen ersten Gedichtband. Das war kein Kampfruf, kein Aufschrei, ein politisches Joch abzuwerfen. Nicht Prometheus oder Ikarus sind seine Helden, nicht die Lichtbringer und Himmelsstürmer, die glauben, ein spektakuläres Fanal könne die Welt verändern, sondern die Sisyphose des Alltags, die ihren Stein geduldig wälzen, die sich mit ausdauernder Kraft und Witz ins Joch spannen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ganz und gar irdisch sind denn auch seine Verse. Nicht luftig leicht kommen sie daher, erdenschwer, sinnlich direkt bis zur Derbheit, und doch poetisch dicht in eindrucksvollen Bildern, die sich festhaken und hängen bleiben. Wie die Erinnerung an den Großvater, der den Enkel auf dem Gepäckträger seines Wanderer-Damenfahrrads in die Welt bugsiert, „ein lebendiger Fels“, in dessen Rücken auch wir, die Leser, an den Entdeckungen des Wilhelm Bartsch Anteil nehmen dürfen. (...)
Zeigt sich die Heiterkeit und der Witz dieser erdgebundenen Verse oft erst auf den zweiten Blick, so scheinen umgekehrt die farbenfrohen Zeichnungen des Malers Moritz Götze von einer sorgenfreien Welt zu künden: ein ewiges Fest, knallig bunt unter strahlend blauem Himmel, wie die Werbung sie uns verheißt. 1964 als Sohn eines Malers und einer Teppichweberin geboren, war Götze Gitarrist und Sänger in Punkbands, hat Möbeltischler gelernt, statt Kunst zu studieren, und arbeitet seit 1985 in einer eigenen Grafik-Werkstatt mit den Mitteln der Popart: schrill, plakativ und raffiniert. Die Technik des Siebdrucks hat er zu neuer Perfektion gesteigert, seine keramischen Mosaiken und Emaille-Arbeiten erobern den öffentlichen Raum, seine Formensprache ist unverkennbar und wirkt selbst schon stilbildend.
Zeitgemäß nennen manche die Kunst des Moritz Götze und meinen, sie sei so oberflächlich wie das Konsumzeitalter. Doch verwechsle man den Boten nicht mit der Botschaft. Haben sie denn eine, diese Bilder, die nur eine Oberfläche fixieren? Ein reines Farbenspiel für die Sinne ohne Sinn dahinter oder darüber hinaus, ohne Perspektive, alles bewegt und erstarrt zugleich, Menschen wie Dinge vereinzelt, beziehungslos, Atome, schwebend im luftleeren All, gehalten nur durch schwarze Linien, die sie umranden wie Traueranzeigen? Melancholisch ist die Heiterkeit dieser bunten Bilder, die nicht lügen, indem sie unsere Lüge festhalten: den Himmel auf Erden in paradiesischer Endzeit.
Der denkbar schönste Kontrapunkt zu Wilhelm Bartschs Gedichten: poetische Welterkundungen in Wort und Bild.

 

Leseprobe

Die alte Marke Wanderer

Mein Großvater schnallte das Kissen auf den Gepäckträger
des „Wanderer“-Damenfahrrades, er sagte: Nun schwing dich
hinauf! Es war ein rußschwarzes Klettergerüst
hoch zum Fahrtwind, ein Eisenzeitmonster, ein Sicherheitsnetz
überspannte das Hinterrad noch und verkleidet waren
mit Blech die krachenden Ketten, der Lenker war mächtig
wie Auerochshörner, man radelte aufrecht den Wind an
auf den kleinen Weltreisen. Denn immer, wenn Großvaters Baß
sich lauthals erleichtert hatte im Chor der Altlutheraner
am Tage des Herrn - fuhr er mich stets durch Himmel und Hölle
der Welt. - Heut zeig ich dir Wasser, Wilfried! so sprach er
zum Beispiel, das fließt von unten nach oben! – Ich liebte
den Springquell voll märkischem Blutsand als Edelsteinwäsche
und nasses, stummes Feuerwerksspiel. Wir stiegen
oft ab, ich liebte die Bunker so bleich, die Knochen so grün
und Rost und geschwärzte Mauern in Kuckuckslichtnelken,
den Eisendrahtstumpf in den Kuscheln, den Großvaterfreund,
dem links in der Tasche sein eines Hosenbein und da drin,
unendlich gespiegelt in sich, die Henry-Milchbonbonschachtel
stets steckte. Vor mir steht oft wie ein Knacken des Rücktritts
die Kindheit, von Halt zu Halt mit dem „Wanderer“ urbi
et orbi. Und wie ein lebendiger Fels wogt noch vor mir
der gewaltige Großvaterhintern, ich hielt mich und strippte
die wogenden Stahlfederzitzen da unterm Sattel.
Und wie stahlblaue Milch scharf am Eimerrand klingelt,
so molk ich die Welt, von einem Ort zu dem andern,
und Großvater butterte zu mit kurbelnden Füßen.


Pressestimmen

Das Titelstück steht am Anfang und ist ein Großvater-Gedicht, mit viel echter Liebe und ohne falsches Pathos geschrieben. Es gehört zu der Abteilung Uckermärkische Gedichte. Alle lyrischen Texte hat Bartsch nach Landschaften geordnet, die mal mehr und mal weniger real sind, die er selbst bereist oder lesend erkundet hat. Also radeln wir mit ihm durch den tiefen Sand der Mark, setzen mit dem Schiff über auf die Greifswalder Oie, begreifen die Kathedrale zu Bari und lassen uns das Wendland zeigen.
Illustriert werden Bartschens so wunderbar erdenschwere und doch alles andere als hermetischen Verse von den luftig-leichten und popart-bunten Zeichnungen des halleschen Künstlers Moritz Götze
Kai Agthe, in: Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen, Heft 1/2012


Einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker seiner Generation. Und nach wie vor aufs Anregendste unabkömmlich in Mitteldeutschland, wo der Wilhelm-Müller-Literaturpreisträger als Sekretär der Klasse für Literatur und Sprachpflege der Sächsischen Akademie der Künste in Dresden vorsteht, der einzigen ostdeutschen Akademie ihrer Art.
Aufs Anregendste unabkömmlich: Das trifft auch auf diesen bibliophil gestalteten, mit den wie in Zigarettenbilder-Manier eingeklebten Reproduktionen farbiger Moritz-Götze-Zeichnungen ausgestatteten Band zu .... Ein Büchlein in der Anmutung der Quarthefte aus dem Wagenbach-Verlag. Aufs Anregendste unabkömmlich aber vor allem, weil sich Bartsch in seinem neuen Lyrikband keinerlei Zügel anlegt. Querfeldein zieht der 61-Jährige in zehn Abteilungen durch seine Landschaften: von der Uckermark aus an die Ostseeküste, durch das Wendland, Irland, Italien, Amerika, das äußere und innere Deutschland. Jahresringe einer Dichterbiografie, die man gerne sieht. Denn in den besten seiner neuen Gedichte zeigt sich Bartsch so frisch und frei wie in seinem bis heute ganz unverbrauchten Debüt "Übungen im Joch" von 1986. Vergnügen und Freiheit: Das teilt sich mit. (...)
Großartig ist Bartsch, wenn er nah und seelenruhig an der Landschaft schreibt und an der eigenen sinnfälligen Erfahrung. (...) Die alte Marke Wanderer: Das meint die liegen gebliebenen Fortschrittsgerätschaften der Menschheit genauso wie die auf ihrem jeweils eigenen Weg gebliebenen Landsleute, das ist der Dichter genauso wie sein Leser, den Bartsch in der Nachbemerkung "Meine Poetologie" als "nach-lesenden Dichter" begreift, als einen, der bei der Lektüre das Gedicht fortschreibt.
Christian Eger, in: Mitteldeutsche Zeitung


So wie die Landschaften wechseln, so wechselt auch die Gestalt des Dichters, ohne sich je zu maskieren. Es ist etwas Protheisches in den Gedichten Bartschs; das lyrische Ich erscheint in jedem Gedicht ein wenig anders, denn "jedes gute Gedicht trägt wie ein Vexierbild seine ganz eigene Poetologie schon in sich". Die Gedichte verändern sich beim mehrmaligen Lesen, wenn die Oberfläche des lyrischen Gebildes durchstoßen ist und sich Melancholie, Heiterkeit und Witz des Gedichtes erschließen. In diesem Sinne korrespondieren sie mit den Zeichnungen des Hallenser Malers Moritz Götze, die unsere "schöne, neue Welt" in knallbunten Farben zeigen und erst nach mehrmaligem Betrachten ihren hintergründigen Humor preisgeben. Für Bartsch heißt gute Gedichte zu schreiben, es zuzulassen, dass die "Schönheit mit den unmöglichsten Galanen tanzt" (Pablo Neruda).
Dietmar Ebert, in: Thüringische Landeszeitung (TLZ)


Erfrischende Gedichte, die immer auch reale Verortung brauchen, erwarten uns. Und dass eine Widmung auf Seite 42 an Volker Braun geht, kann auch nicht verwundern, erblickt der Rezensent hier in den Texten und Biografien eine Verbindungslinie. (...) Die Sätze zur Poetologie im Nachtrag des Bandes treffen tief, zum Mitmeißeln geeignet. Fünf Zeichnungen von Moritz Götze sind beigefügt, stehen als Kontrast und doch passend ....
Thomas Ernest, in: Ostragehege, Heft 1/2013, Nr. 69, Dresden


Bartschs Gedichte bilden eine Art Autobiographie in Lebenslandschaften ab. (...)
„Bartsch ist eine seltsam originäre Begabung“, schreibt Kollege Manfred Jendryschik über ihn. „Ein intellektuell kontrolliertes Eintauchen in die Geschichte, ein Kennen aller möglichen Wunden und gleichzeitig der vital-plebejische Grundgestus, daß die Worte aus den Nähten zu platzen scheinen.
Klaus Seehafer, auf: www.alliteratus.com


Wie Provinz sich in Welt ausdehnt und Weltorte als poetische Provinz besiedelt werden, demonstriert Wilhelm Bartsch in kraftvollen Gedichten. ... Landschaften werden im Ineinander von Früh- und Spätgeschichte erlebt, von Mythos und Alltag. Dem Band sind popartige Farbzeichnungen von Moritz Götze beigegeben, die jene höhere Naivität des Lust-Spiels andeuten mögen, das Lyrik auch bedeutet.
Jürgen Engler, in: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, Heft 3/2013


Was die Stärke der lyrischen Stücke von Wilhelm Bartsch ausmacht, das ist die urwüchsige Sprache, sind die muskulösen Metaphern, bleiben die burschikosen Bemerkungen, die sich in noch einem jeden Text zu derben bis deftigen Sinnbildern fügen. Diese Art Lyrik ist so ziemlich einmalig, ist bauernschlau und feinsinnig zugleich. (...)
Dieser Dichter ist kein Stein-, er ist ein Wortmetz.
Michael Ernst, in: Signum, 2013.


 






Herstellung: poliTEXTbüro Update: 05.05.2020